Nature Restoration Law

Das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur birgt nicht nur für Vögel Chancen, sondern wird auch im Hochwasserschutz und im Kampf gegen die Klimakrise eine zentrale Rolle spielen.

Die ersten wesentlichen Naturschutzinstrumente der EWG bzw. EU waren 1979 die Vogelschutzrichtlinie und 1992 die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH), die gemeinsam das Natura 2000 Netzwerk schufen. Es folgten 2011 und 2020 – leider unverbindliche – Biodiversitätsstrategien der EU und in der Folge ihrer Mitgliedstaaten wie Österreich. Wir EU-Bürger:innen schädigen unsere Biodiversität jedoch schneller und heftiger, als dieses Netzwerk sie schützen hilft: Über 80% aller FFH-geschützten Land- und Wasser-Lebensräume in der EU sind bereits in einem unzureichenden oder schlechten Zustand! Daher wurde erkannt, dass wir ein zusätzliches Instrument brauchen, nämlich eines zur Wiederherstellung bereits geschädigter Ökosysteme.

Unterschiedlichste Interessen prägen die Debatte

Die EU-Kommission legte 2022 einen Verordnungsvorschlag zur Wiederherstellung der Natur vor, der nach intensiven Debatten insbesondere mit den Landnutzer:innen-Verbänden deutlich abgeschwächt, aber letztlich 2024 vom EU-Parlament und vom EU-Rat mit jeweils knapper Mehrheit beschlossen wurde. Dem Erfordernis der Wiederherstellung unserer Natur standen und stehen die Sorgen mancher Land- und Wassernutzer:innen (vor allem der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei) gegenüber, dass die kostendeckende Bewirtschaftung oder gar unsere Lebensmittelversorgung damit angeblich eingeschränkt oder gar verunmöglicht werde. Zusätzlich ist der Zeitplan für die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten relativ ambitioniert – verschärft sich jedoch laufend auch die menschengemachte Biodiversitätskrise und bedarf unseres unverzüglichen Einschreitens. Und intakte Ökosysteme sind zweifellos ihrerseits eine wesentliche Voraussetzung für die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Produktion (ohne Bestäuber kein Obst- und Gemüsebau!), den Hochwasserschutz, den Bodenschutz, den Grundwasserschutz und viele andere Ökosystemleistungen. Zudem tragen einige Maßnahmen wie z.B. Moorschutz und Moorwiedervernässung unmittelbar zur Milderung des Klimawandels bei, weil Moore große Mengen Kohlenstoff speichern.

Hauptziele für die Wiederherstellung der Natur

Stufenweise sollen nun in jedem Mitgliedstaat

  • geschädigte Lebensräume an Land, im Meer und im Süßwasser EU-weit wiederhergestellt werden, und zwar bis 2030 über 30%, bis 2040 über 60% und bis 2050 über 90% der Fläche jener geschädigten Lebensräume, die im Anhang I der Verordnung aufgelistet sind.

  • Weiters sollen EU-weit bis 2030 3 Milliarden zusätzliche Bäume gepflanzt und

  • bis 2030 durch Wehre und Dämme eingeengte und unterbrochene Fließgewässer auf mindestens 25.000 Flusskilometern wieder zu frei fließenden umgewandelt werden.

  • Eigene weitere Schwerpunkte sollen bei städtischen Lebensräumen sowie Bestäubern gesetzt werden.

 

Wiederherstellungsplan und Umsetzung

Die Wiederherstellungsverordnung trat im August 2024 in Kraft, nun geht die eigentliche Arbeit aber erst los: Zunächst sind in jedem Mitgliedsstaat, also im Falle des föderalen Österreichs von Bund und Ländern, unter Beteiligung der Vertreter:innen der Grundeigentümer:innen sowie der Zivilgesellschaft Wiederherstellungspläne zu entwickeln. Darin wird der Fahrplan festgelegt, auf wie großen Flächen welche Lebensraumtypen mit welchen Maßnahmen wiederhergestellt werden sollen, beispielsweise durch Wiedervernässung entwässerter Moore und Feuchtwiesen oder Reaktivierung abgetrennter Auwälder. BirdLife wird sich hier gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen, insbesondere dem hier auch besonders engagierten WWF, proaktiv einbringen, um unseren Vögeln eine kräftige Stimme zu geben. Mit intensiven Verhandlungen ist hier noch zu rechnen, um ein für alle Beteiligten möglichst vertretbares und machbares Ergebnis zu erzielen.

Dann startet die Umsetzung der Maßnahmen in Land- und Forstwirtschaft, in und entlang Flüssen und Seen, in Mooren, in Städten. Parallel sind jedoch auch noch viele Erhebungen durchzuführen, weil der ökologische Zustand mancher Lebensraumtypen gar noch nicht hinreichend bekannt ist und daher noch gar nicht seriös geklärt werden kann, in welchen Lebensräumen genau wir bis 2050 überhaupt tätig werden müssen. Um jedoch keine wertvolle Zeit zu verlieren, sollen bis 2030 Maßnahmen vor allem in jenen Lebensräumen vorgezogen werden, wo zweifellos Handlungsbedarf besteht. BirdLife wird sich mit seiner Expertise bei Erhebungen und Maßnahmenumsetzung engagieren, gemeinsam mit weiteren Akteur:innen aus Behörden, Zivilgesellschaft und Landnutzer:innen – es handelt sich um ein umfangreiches Vorhaben, wir alle müssen hier groß denken und groß handeln, wenn wir etwas Großes bewirken wollen, und das müssen wir!

Finanzierung

Unklar blieb in der Verordnung leider die doch recht wesentliche Finanzierung der Umsetzungsmaßnahmen. Seitens der EU-Kommission war vorgesehen, dass kein zusätzliches Förderinstrument geschaffen werden soll, sondern mit den vorhandenen (z.B. Gemeinsame Agrarpolitik, LIFE-Projekte, Interreg-Projekte, nationale Mittel) das Auslangen gefunden wird. Viele Beteiligte bezweifeln jedoch, dass die doch erheblichen Anstrengungen mit den bestehenden Budgettöpfen gestemmt werden können oder dürfen. Auch hier wird es noch beträchtliche Debatten geben.

BirdLife ist offen für Dialog

Für konstruktive Anregungen jeglicher Art stehen wir natürlich offen, nehmen Sie bitte gerne mit uns Kontakt auf: office@birdlife.at