Vögel in ihren Lebensräumen
Lernen Sie die Habitate österreichischer Vögel kennen
Um Vögel zu bestimmen, ist auch eine gewisse Auseinandersetzung mit den Lebensräumen in Österreich notwendig. Denn nur wenige Vogelarten sind Lebensraum-Generalisten und kommen überall vor. Eine gewisse Grundkenntnis über die Lebensraumansprüche der jeweiligen Vogelarten ist daher von großem Nutzen.
Österreich ist knapp zur Hälfte mit Wald bedeckt, etwa ein Drittel wird von landwirtschaftlich genutzter Fläche eingenommen. Es bleiben darüber hinaus also nur mehr etwa 20 % der Landesfläche für alpines Gelände über der Waldgrenze, Gewässer, Moore und Feuchtgebiete, Siedlungen und Verkehrsflächen sowie sonstige Lebensräume übrig.
Wald
Bei der Flächendominanz des Waldes in Österreich ist es kein Wunder, dass die fünf häufigsten Vogelarten ihren Verbreitungsschwerpunkt im Wald haben: Buchfink, Amsel, Mönchsgrasmücke, Tannen- und Kohlmeise. Andererseits finden sich unter den 50 seltensten Vogelarten gerade einmal vier Waldvögel – durchwegs Greifvögel, die Wälder als Brutplätze nutzen. Insgesamt kommen etwa 40 % (mehr als 80) aller österreichischen Brutvogelarten in Wäldern vor, wenn auch einige davon nur an Sonderstandorten.
Doch Wald ist nicht gleich Wald: Von den Eichenwäldern der Niederungen, den Buchenwäldern der Hügellandschaften, den Buchenmischwäldern des Alpenrandes bis zu den Fichten- und Fichten-Tannen-Bergwäldern im Alpenraum (um nur die wichtigsten Typen aufzuzählen) umfassen die Waldgesellschaften Österreichs ein weites Spektrum. Dazu kommen natürlich zahlreiche weitere Waldtypen an Sonderstandorten wie die Tieflandauen an den großen Flüssen oder wärmeliebende Rotföhrenwälder auf flachgründigen Felsstandorten, die jeweils auch spezielle Vogelarten beherbergen. Generell sind reich strukturierte Wälder artenreicher als eintönige Monokulturen. Ein besonders wichtiger Faktor ist der Anteil an Totholz, der im Wald stehen bleiben darf und der das Vorkommen von verschiedenen Spechtarten und Höhlenbrütern ermöglicht. Auch wenn die Situation der Waldvögel noch vergleichsweise gut ist, gibt es auch für die Lebensgemeinschaft Wald ernsthafte Gefährdungsfaktoren. Dazu zählen die Intensivierung der Nutzung, aber auch die Klimakrise, die vielfach den Trockenstress der Bäume vergrößert und auch die Häufigkeit von Sturmereignissen erhöht, denen auch naturschutzfachlich besonders wertvolle alte Wälder zum Opfer fallen.
Kulturland
Im Vogel- und Naturschutz verstehen wir unter „Kulturland“ Gebiete, die vom Menschen landwirtschaftlich genutzt werden, also Ackerland, Wiesen und Weiden (darunter auch Almen), Obstbaugebiete (von Streuobstwiesen bis zu Intensiv-Obstplantagen), Weinbaugebiete und sonstige landwirtschaftliche Kulturflächen (Gemüse, Hopfenkulturen). Die meisten landwirtschaftlich genutzten Gebiete sind durch kleine Gehölze, Baumreihen und Einzelbäume, Hecken, Brachen, Gräben, Böschungen und weitere nicht direkt genutzte Flächen unterbrochen, die die Landschaft strukturieren. Durch jene wertvollen Strukturelemente, die vielerorts bereits verschwunden sind oder zu verschwinden drohen, kommen ursprüngliche Waldvögel wie Kohlmeise, Amsel oder Buchfink oder Bewohner von Sträuchern und Hecken wie die Sperbergrasmücke oder der Neuntöter ebenso in der Kulturlandschaft vor wie Vögel, die weite, offene Landschaften brauchen.
So ist es zu erklären, dass die Kulturlandschaft in Österreich mit etwa 40 % (mehr als 80 Vogelarten) der Brutvogelarten ungefähr gleich viele Arten beherbergt wie der Wald. Studien zeigen, dass es bei den Vögeln des Kulturland in den letzten Jahrzehnten im Schnitt die stärksten Bestandsabnahmen gab, da er sich durch Nutzungsintensivierungen am stärksten geändert hat.
Gewässer und Feuchtgebiete
Zu diesem Lebensraumkomplex zählen stehende Gewässer mit ihrer Ufervegetation ebenso wie Feuchtwiesen, Moore aber auch Fließgewässer. Als Sonderstandorte fallen sie flächenmäßig kaum ins Gewicht, und doch brütet knapp ein Drittel aller österreichischen Brutvogelarten in solchen Gebieten (knapp 70). Viele von ihnen haben sehr spezialisierte Lebensraumansprüche: Der Teichrohrsänger braucht z. B. größere Schilfbestände, der Flussregenpfeifer Schotterbänke und der Eisvogel Steilwände an Fließgewässern. Kein Wunder also, dass zu dieser Gruppe viele seltene Arten sowie solche mit sehr lokalisiertem Vorkommen zählen.
Gewässer und Feuchtgebiete stellen heute nur mehr kleine Reste einst ausgedehnter Flächen dar, die der Mensch im Zuge der Landnutzungsnahme entwässerte und zerstörte. Fließgewässer wurden zum Hochwasserschutz, zur Schiffbarmachung und für die Energiegewinnung weitgehend verbaut. Zwar stehen viele wichtige Feuchtgebiete heute als Naturschutzgebiete, Nationalparks oder Landschaftsschutzgebiete unter besonderem Schutz, doch auch heute noch steht dieser Lebensraumkomplex vor allem, aber nicht nur, außerhalb von Schutzgebieten enorm unter Druck.
Gebirge
Je nach geographischer Lage liegt die natürliche Waldgrenze in den österreichischen Alpen bei ca. 1800 bis 2100 m Seehöhe. Darüber schließt die Kampfwald- bzw. Krummholzzone an, die von Zwergsträuchern, alpinen Rasen sowie der nivalen Zone abgelöst wird, wo sich die geschlossene Vegetationsdecke auflöst. Durch jahrhundertelange Weidetätigkeit wurde auch die Waldgrenze künstlich nach unten gedrückt. Ausgedehnte Almflächen ergänzen nun die natürlicherweise wald- bzw. baumfreien Bereiche. Genau genommen handelt es sich bei diesem Bereich also ebenfalls um Kulturland, dennoch gibt es eine Reihe von Vogelarten, die speziell hier vorkommen und die wir deshalb, ebenso wie jene der Krummholzzone und der alpinen Rasen, dem (Hoch-) Gebirge zuordnen.
Locker mit Bäumen bestandene Bereiche an der Waldgrenze werden etwa von Birkhuhn, Ringdrossel oder Zitronenzeisig bewohnt. Zu typischen Brutvögeln von Latschenbeständen zählen z. B. Heckenbraunelle oder Birkenzeisig. Gehölzfreie Bereiche werden z. B. von Alpenschneehuhn und Bergpieper bewohnt.
Garten und Siedlung
Garten- und Siedlungsvögel stammen ursprünglich aus verschiedenen Lebensräumen. Mit der Kombination aus Gebäuden, die aus Vogelsicht künstliche Felsen darstellen, aufgelockerten Baumbeständen, Hecken und Sträuchern, Wiesen und schütter bewachsenen, offenen Flächen bieten Siedlungen eine Vielfalt verschiedener Lebensräume auf engstem Raum, die von über 20 % (etwa 50) österreichischen Brutvogelarten genutzt werden. Einige von diesen werden als Kulturfolger bezeichnet, z. B. der Hausrotschwanz, der früher hauptsächlich Felsstandorte im Gebirge bewohnte oder die Amsel, deren ursprünglicher Lebensraum der Wald ist.
Überwiegend brüten im Siedlungsgebiet häufige Vogelarten, die nicht prioritär schutzbedürftig sind. Doch es gibt auch für sie Probleme: Gebäudesanierungen, sterile Gestaltung von Gärten und Grünanlagen, zunehmende Versiegelung, Glasscheiben als Vogelfallen und eine hohe Dichte an Hauskatzen führen zu erheblichen Verlusten.