Klima- und Biodiver­sitätskrise

Während es die Klimakrise als wahrhaftige Bedrohung in die breite Öffentlichkeit geschafft hat, ist die Biodiversitätskrise bei den meisten noch nicht angekommen.

Die Welt steht vor einer beispiellosen doppelten Herausforderung: der Klima- und Biodiversitätskrise. Heftige Überflutungen, Hagel, Stürme und Waldbrände aufgrund wochenlanger Trockenperioden setzen uns Menschen zu, aber auch unseren Vögeln. Als Vogelschutzorganisation sehen wir die dramatischen Auswirkungen dieser Zwillingskrise auf unsere gefiederten Freunde und ihre Lebensräume aus erster Hand. Um das Artensterben zu erklären und die Dringlichkeit von Maßnahmen zu unterstreichen, müssen wir die enge Verbindung zwischen dem Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt erkennen. Ohne die Klimakrise einzudämmen, werden wir auch das Artensterben nicht aufhalten können – und umgekehrt.

Das Artensterben und seine Ursachen

Das Artensterben hat sich in den letzten Jahrzehnten besorgniserregend beschleunigt, dies ist schon spätestens seit den 1960ern bekannt. Hauptursachen sind der Verlust und die Verschlechterung von Lebensräumen, Übernutzung von natürlichen Ressourcen, Umweltverschmutzung, invasive Arten und der Klimawandel. Die menschengemachte Klimakrise wirkt dabei als ein für manche noch unvermuteter Verstärker.

Häufigere Starkregenereignisse können für Bodenbrüter wie z.B. für den Kiebitz zur Gefahr werden. Besonders zu Beginn der Brutzeit geht so oftmals das 1. Gelege verloren. Wenn die Bedingungen beim Ersatzgelege nicht besser sind, kann das schon erhebliche Auswirkungen auf den lokalen Bestand haben. Aber auch Freibrüter wie z. B. der Kaiseradler leiden unter heftigen Stürmen in der Brutzeit. Werden die Horste von den Bäumen geweht oder fällt der Horstbaum um, haben die Nestlinge keine natürliche Überlebenschance. Wieder anders trifft die Klimakrise die Ringdrossel, deren Lebensraum mit dem Ansteigen der Baumgrenze immer kleiner wird, oder das Alpenschneehuhn, das sein tarnendes Winterkleid nicht schnell genug an kürzere Schneelagen anpassen kann. Manche flexible Insektenfresser hingegen könnten durch größeres Angebot an wärmeliebenden Heuschrecken usw. bessere Nahrungsbedingungen vorfinden. Für viele Vogelarten sind die Folgen jedoch selbst aus Sicht der Wissenschaft bei Weitem noch nicht absehbar.

Die Zwillingskrise: Klima- und Biodiversitätsschutz sind untrennbar verbunden

Um die Klima- und Biodiversitätskrise wirksam zu bekämpfen, müssen unsere Maßnahmen beide Aspekte berücksichtigen. Eine isolierte Betrachtung kann zu unzureichenden oder sogar kontraproduktiven Ergebnissen führen. So könnte zum Beispiel ein zusätzliches Wasserkraftwerk zur Gewinnung fossilfreien Stroms einen sensiblen Lebensraum zerstören, der für das Fortbestehen gefährdeter Arten notwendig ist. Auch der vermehrte Anbau von Ölsaaten für Treibstoff oder von „Energiegräsern“ (z.B. Riesen-Chinaschilf) kann in Flächenkonkurrenz zu den Bedürfnissen von Tier- und Pflanzenarten stehen. Daher müssen unsere Strategien integrativ und ganzheitlich sein. Der Schutz von Lebensräumen wie naturnahen, humus-, tot- und altholzreichen Wäldern, größeren und dynamischen Feuchtgebieten und blumenreichen Wiesen und Weiden dient sowohl dem Klimaschutz durch CO₂-Speicherung als auch dem Erhalt der Biodiversität bzw. Artenvielfalt. Ebenso tragen global gesehen Wiederaufforstungsprojekte nicht nur zur Bekämpfung des Klimawandels bei, sondern bieten auch wertvolle Lebensräume für viele Vogelarten, wobei der Waldanteil in Österreich durchaus schon überwiegend flächenmäßig zufrieden stellend ist (selten jedoch ökologisch). Und nicht zuletzt erhöht eine große Vielfalt an naturnahen Lebensräumen die „Resilienz“ der Landschaft, also die Fähigkeit, kurz- oder mittelfristige ökologische Änderungen oder Katastrophen wie Stürme oder Hochwässer besser abzupuffern.

Dringende Maßnahmen für einen gemeinsamen Erfolg

Um die Zwillingskrise zu bewältigen, sind folgende Maßnahmen unerlässlich:

  • Erhalt und Wiederherstellung von Lebensräumen: Natürliche Ökosysteme müssen geschützt und, wo möglich, wiederhergestellt werden. Dies schafft nicht nur Habitate für viele Arten, sondern unterstützt auch die natürlichen Klimaregulationsprozesse. Vergrößerung und Verbesserung von Feuchtgebieten wie Auen und Mooren, die in den letzten Jahrhunderten vom Menschen eingeengt oder beeinträchtigt wurden, erhöht die Fähigkeit der Landschaft, Niederschlag besser und länger zurückzuhalten und damit die Auswirkungen von Hochwässern zu mildern. Das EU-Wiederherstellungsgesetz ist eine wesentliche Grundlage dafür.

  • Förderung nachhaltiger Landnutzung: Landwirtschaft und Forstwirtschaft müssen von Politik und Bewirtschafter:innen so gestaltet werden, dass sie die Biodiversität fördern und gleichzeitig klimaschonend sind. Agroforst-Systeme und nachhaltigere Bewirtschaftung (konventionell und biologisch) können und müssen hier wichtige Beiträge leisten.

  • Reduktion von Treibhausgasemissionen: Drastische Maßnahmen zur Verringerung der Freisetzung von CO₂ und anderen Treibhausgasen sind unerlässlich. Dies umfasst die Verringerung des Energieverbrauchs, Effizienzsteigerungen bei der Energiegewinnung, den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen, ressourcenschonenden und möglichst in Kreisläufen geführten Wirtschaft.

  • Schutzgebiete ausweiten und vernetzen: Bestehende Schutzgebiete müssen ausgeweitet und besser vernetzt werden, um genetischen Austausch zu ermöglichen und widerstandsfähige Ökosysteme zu fördern. Managementpläne sind in vielen Fällen erheblich zu verbessern und zu konkretisieren, Schutzgebietsbetreuungen mit besseren Ressourcen auszustatten.

  • Förderung der Forschung und Bildung: Mehr Investitionen in die Forschung über die Wechselwirkungen zwischen Klima und Biodiversität sowie Bildung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit (schon angefangen bei unseren Kindern) sind entscheidend für langfristige Lösungen. Man kann nur schützen, was man kennt!

Fazit

Die Klima- und Biodiversitätskrise erfordern unser sofortiges und entschiedenes Handeln. Als Vogelschutzorganisation sehen wir uns in der Verantwortung, beide Aspekte dieser Krise gleichermaßen zu adressieren und Lösungen zu diskutieren und zu ihrer Umsetzung beizutragen. Nur durch integrative und nachhaltige Maßnahmen können wir die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten bewahren und gleichzeitig die Klimakrise bekämpfen. Der Schutz der Vögel und ihrer Lebensräume ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg, der uns allen zugutekommt.